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Paul Klee

205 - Ohne Titel (Aarelandschaft)

Ohne Titel (Aarelandschaft)

Paul Klee liebte die Aare bei Bern über alles. Schon früh zog er sich an den Fluss zurück, wenn er sich von seiner erwachsenen Umwelt wieder einmal unverstanden fühlte. Zahlreiche Skizzen und Zeichnungen bezeugen diese intensive Auseinandersetzung mit der Aarelandschaft.

Die Aarelandschaft ist eines der frühesten Ölgemälde Klees überhaupt. Dieser fünfteilige Paravent war eine Auftragsarbeit, die Paul Klee während seiner  Sommerferien in Bern ausführte. Klee war damals Student von Franz von Stuck an der Münchener Kunstakademie. Er war im Sommer 1900 für drei Monate nach Bern gekommen, um sich hier in der vertrauten Umgebung zu entspannen. Seine Schwester Mathilde und seine Mutter organisierten ihm einige Aufträge, damit er ein wenig Geld verdienen konnte. Der Paravent war die Auftragsarbeit für eine Freundin der Mutter. Allerdings konnte sich die Mutter vom fertigen Paravent nicht mehr trennen, so dass sie ihn ihrem Sohn abkaufte und er fortan im Wohnzimmer der Familie Klee seinen Platz hatte.

Klee verwendete einen ganzen Sommer auf die Arbeit am Paravent, nicht aus Begeisterung, sondern weil er sich nur schwer dazu aufraffen konnte, diesen Auftrag auszuführen, der ihn seiner Meinung nach von der wahren künstlerischen Arbeit abhielt. In einem Brief an seine spätere Frau Lily Stumpf äusserte er sich ziemlich abschätzig über diese Arbeit, die, wie er sie nannte, «unverdaulichen spanischen Wände». Es missfiel ihm, dass er sich formal an einer vom Jugendstil geprägten Ästhetik orientieren musste, die dem damaligen Geschmack entsprach und die er auch in der Akademie bei Franz von Stuck kennenlernte. Dass Klee diesem Paravent keinen künstlerischen Wert zuerkennen konnte, zeigt sich darin, dass er es weder signierte noch später in seinen Oeuvrekatalog aufnahm.

Auch wenn gewisse formale Anlehnungen an den Jugendstil erkennbar sind, so weist das Werk durch seine künstlerischen Qualitäten doch weit über den Jugendstil hinaus. Der Blick schweift von verschiedenen Standorten und aus wechselnden Perspektiven und unter wechselnden Lichtverhältnissen auf die Flusslandschaft. Beim klassischen Jugendstil-Paravent wäre eine einzige Landschaftsansicht über die fünf Paneele ausgebreitet worden. Hervorzuheben ist die kompositorische Analogie der beiden äusseren Teile und die Spiegelbildlichkeit der 2. und 4. Paneele. Diese Darstellungsweise entspricht nicht mehr dem dekorativen Gestaltungsmuster des Jugendstils, sondern einer fotographischen Sicht. Einige Jahre zuvor hatte Klee begonnen, sich intensiv mit dem neuen Medium der Fotografie auseinander zu setzen.

Die intensive Naturerfahrung an den Ufern der Aare war für Klee Auslöser, um sich ein Leben lang mit dem Thema der Landschaft zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Besonders der dynamische Aspekt, der durch die Bewegung des Wassers symbolisiert wurde, interessierte ihn.