Flávio de Carvalho
117 - Porträt von Niomar Moniz Sodré Bittencourt
Die grossen, nach links gerichteten Augen fallen in diesem Bild von Flavio de Carvalho auf den ersten Blick auf. Sie sind Teil eines eher maskenhaften Gesichts mit spitzer, ebenfalls nach links gerichteter Nase. Es erinnert an die Gesichter in Pablo Picassos «Les Demoiselles d’Avignon» von 1907 – eine Ikone der europäischen Moderne. Über dem Gesicht wellen sich Haare nach oben. Darunter breitet sich ein amöbenhafter Körper aus, der nichts mehr mit einem menschlichen Körper gemein hat: Geschwungene Linien und Formen wechseln sich mit eckigen Flächen ab. Gegen den Bildrand sind es vor allem rechteckige Formen. Das Porträt ist in leuchtenden Farben gemalt. Rosatöne herrschen im Bildzentrum vor und erinnern an menschliche Haut. Daneben malt de Carvalho Flächen in Gelb, Blau oder Orange und weiteren gemischten Farben. Gegen den Rand werden die Farben dunkler, hier dominieren Rot- und Brauntöne.
De Carvalho verbindet die Auseinandersetzung mit dem Unbewussten des Surrealismus mit kubistischer Bildsprache. So entstehen Werke mit einer Mischung aus figurativen und abstrakten Elementen. De Carvalho hält nicht viel von reiner Abstraktion, wie er einmal bemerkte:
«Abstrakte Malerei ist ein Malen ohne ‹Seele›. Ihre rationale Natur, auf die sie sich zurückzieht, dient zu allerlei mentaler Erpressung. Die grösste Rechtfertigung, die man abstrakter Kunst zuerkennen könnte, ist die Anrufung der schöpferischen Freiheit des Künstlers, dass nämlich der Künstler das Recht hat, sich geradeso zu bekunden und auszudrücken, wie es ihm beliebt.»
Die Dargestellte in diesem Porträt ist die 1916 geborene Niomar Moniz Sodré Bittencourt. In den 1940er Jahren heiratet sie in zweiter Ehe den Journalisten und Geschäftsmann Paulo Bittencourt, den Eigentümer der Zeitung Correio da Manhã aus Rio de Janeiro. Sie war eng an der Entstehung des Museum of Modern Art in Rio de Janeiro beteiligt und Jahrzehnte in dessen Vorstand.