Alfredo Volpi
115 - Kleine Kapelle
Alfredo Volpi wird 1896 in Italien geboren und wandert im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie nach Brasilien aus. Er zählt damit zu einer Gruppe von rund 1,4 Millionen Landsleuten, die zwischen 1870 und 1920 aus Italien nach Brasilien übersiedeln. Ganz allmählich entwickelt er vollkommen autodidaktisch einen Stil – über Jahrzehnte hinweg. Es ist ein eigenständiger Stil, der davon zeugt, wie Volpi stets auf Abstand zu den aktuellen Tendenzen der Kunst bleibt. Und er ist ein Künstler-Handwerker, der seine Farben und Materialien selbst herstellt, die Keilrahmen bespannt und die Leinwände grundiert. Ab den 1930er Jahren verwendet er die alte Technik des Ei-Tempera. Dabei wird mit Wasser verdünntes Eigelb als Bindemittel verwendet und mit Pigmenten angerührt. Auch zu den gängigen Farb- und Kompositionstheorien hält er Abstand und löst die malerischen Fragen intuitiv. Dazu meinte er so einfach wie treffend:
«Du fügst die erste Farbe ein. Dann schaust du. Dann fügst du die zweite ein. Dann schaust du wieder. Wenn es richtig ist, siehst du es. Wenn nicht, sieht du es auch, und dann wischt du es aus und fängst von vorne an.»
In den späten 1930er Jahren setzt sich Volpi mit Strassen- und Architekturszenen einer Kleinstadt auseinander, die rund 60 Kilometer von São Paulo entfernt liegt: Mogi das Cruzes. Architekturen und Teile davon, die an die Kolonialgeschichte des Ortes erinnern, wie Fenster, Türen, Dachziegel bis hin zu Fassaden dienen Volpi als Motive seiner Farbfeldmalerei und zur Erzielung farblicher Effekte.
Die Kapelle hier in diesem Bild ist eingezwängt in die farbigen Fassaden umstehender Häuser. Sie wirkt winzig – als wäre sie ein Puppenhaus. Vieles ist nur angedeutet und verschwindet beinahe hinter den kräftigen Farben. Nur einige Fensterkreuze, das Kreuz auf dem Kirchengiebel und die Turmspitze sind detaillierter gemalt.