Flávio de Carvalho (1899–1973)
Querdenker, der mit seinen Architekturentwürfen, Performances, Gemälden, Schriften und Theaterstücken seine Zeitgenoss:innen herausforderte.
Flávio de Carvalho wuchs in São Paulo auf und genoss seine Schulausbildung in Paris und England. Kurz nach der Semana de Arte Moderna 1922 kehrte er nach São Paulo zurück. Als ausgebildeter Ingenieur nahm er an verschiedenen Wettbewerben für öffentliche Gebäude teil. Als Einzelgänger liess er sich nicht einfach in den Kunstkanon einordnen. Er arbeitete in verschiedenen Disziplinen wie Malerei, Plastik, Architektur, Theater, Tanz und kreierte die ersten Performances in Brasilien. De Carvalho entwickelte ein experimentelles Theater, dessen Stück Bailado do Deus Morto (Tanz des toten Gottes) hohe Wellen schlug. Auch mit seinen Performances in den Strassen São Paulos erregte er grosses Aufsehen und erlebte Anfeindungen. Seine malerischen Experimente stiessen ebenfalls auf viel Unverständnis. In expressionistischen Porträts versuchte er die Psyche der Dargestellten zu erforschen und auszudrücken. Die Frauen stellte er in selbstbewussten Posen dar; sie sind nicht passive Objekte. Auch bei der Bekleidung ging er neue Wege und entwickelte den New Look (Experiência N.3), einen Modestil, der dem tropischen Klima und dem modernen Menschen entspreche. So spazierte er mit einem Rock, Netzstrümpfen und Sandalen bekleidet durch die Strassen São Paulos. De Carvalho versuchte mit seinen künstlerischen Experimenten die Kunstszene in São Paulo zu «entprovinzialisieren» und einer breiten Öffentlichkeit neue Denkanstösse zu geben.