Literatur
Blaise Cendrars Reisen nach Brasilien
In Paris freundeten sich Tarsila do Amaral und ihr Partner, der Schriftsteller Oswald de Andrade, mit dem Schweizer Schriftsteller Blaise Cendrars an. Auf Einladung Paulo Prados begab sich Cendrars im Februar 1924 erstmals nach Brasilien, zwei weitere ausgedehnte Aufenthalte folgten. Mit Tarsila do Amaral und Oswald de Andrade, sowie weiteren Personen reiste er durch Brasilien und war von der afrobrasilianischen Kultur in Rio de Janeiro sowie dem Barock in Minas Gerais völlig überwältigt. Die Reise und Cendrars Faszination für die afrobrasilianische Kultur – wie beispielsweise für Samba und Karneval – weckte bei den brasilianischen Weggefährten das Interesse an den eigenen Kulturen. Dies schlug sich bald in Texten und Gemälden von Tarsila do Amaral und anderen nieder.
Kurz darauf veröffentlichte Oswald de Andrade das Manifesto da Poesia Pau-Brasil. Er wählte mit Pau Brasil einen Begriff, der übersetzt «Brasilianisches Holz» bedeutet, eines der wichtigsten Exportgüter Brasiliens. Als Gegenbewegung zum Import künstlerischer Ideen aus Europa propagierte er brasilianische Poesie als Exportgut nach Europa. In dieser vereinte er Hoch- und Massenkultur, bettete Elemente aus dem Alltagsleben sowie gesprochene Sprache ein, und gab der brasilianischen gelebten Kultur somit eine Stimme. Vier Jahre später publizierte er das Manifesto Antropófago. Er ruft dazu auf, sich die fremde europäische Kultur einzuverleiben, sie quasi zu verdauen, und durch deren Transformation eine eigene brasilianische Kunst zu schaffen. Die brasilianische Avantgarde begann sich Motive der Indigenen und afrobrasilianischen Kulturen anzueignen und ihre eigene moderne Sprache zu entwickeln. Blaise Cendrars agierte somit als transkultureller Übersetzer und Katalysator der brasilianischen Moderne.