Design
In den 1920er und 1930er Jahren war das Design in Brasilien vorwiegend geprägt vom Art-Déco-Stil, der sich durch Eleganz, hochwertige Materialien und geometrische Formen auszeichnet. Beispielhaft dafür sind die Entwürfe von John Graz und Regina Gomide Graz. Beide besuchten 1925 die Internationale Ausstellung für moderne angewandte Kunst in Paris – ein Meilenstein für die Verbreitung des Art Déco –, und importierten diesen Stil nach Brasilien. Die vorwiegend für die Oberschicht entworfenen Einzelanfertigungen wichen bald schlichteren funktionalen Möbeln, die ganz im Sinne des Bauhauses für breite Schichten günstiger produziert wurden. Sergio Rodrigues, Joaquim Tenreiro oder Lina Bo Bardi trugen durch ihre innovativen Ansätze entscheidend zur Entwicklung des modernen Möbeldesigns in Brasilien bei. Sie verwendeten einheimische Materialien und benutzten traditionelle Handwerkstechniken. Unilabor war nicht nur künstlerisch, sondern auch gesellschaftlich ein Experiment. Die Kooperative wurde von Geraldo de Barros mitbegründet und zielte darauf ab, modulare Möbel in schlichtem Design herzustellen und zu erschwinglichen Preisen anzubieten.
Regina Gomide Graz / John Graz
Der Schweizer John Graz und die Brasilianerin Regina Gomide, die sich während ihres Studiums in Genf kennengelernt hatten, zogen 1920 zusammen nach São Paulo. Dort knüpften sie enge Kontakte zu den Schriftsteller: innen und Künstler:innen der Avantgarde. Sie stellten beide 1922 in der Ausstellung der Semana de Arte Moderna (Woche der modernen Kunst) aus. Ab 1923 konzentrierten sie sich auf das Entwerfen ganzer Inneneinrichtungen und arbeiteten eng mit dem Architekten Gregori Warchavchik zusammen. Dieser baute 1927–1928 eines der ersten modernistischen Häuser in Brasilien. Ihre Entwürfe waren stark vom Art Déco geprägt. Ab den 1930er Jahren entwickeln sie eine typisch brasilianische Ikonografie, angeregt von der einheimischen Fauna und Flora sowie von Indigenen Kulturen. Ihr Schaffen wertete die Bedeutung der angewandten Kunst in Brasilien auf und sie können als erste Innendesigner Brasiliens bezeichnet werden.
Unilabor
1954 gründete Geraldo de Barros zusammen mit dem dominikanischen Priester João Baptista Pereira dos Santos die Kooperative Unilabor. Es handelte sich dabei sowohl um ein soziales als auch künstlerisches Experiment, das in jeder Hinsicht nachhaltig sein sollte. Die Werkstatt war eine Kooperative, die von den Arbeiter:innen selbst geführt wurde. Sie waren an den Entscheidungsprozessen des Unternehmens beteiligt. De Barros legte grossen Wert auf die Lebensqualität der Arbeiter:innen und förderte Angebote zur Verbesserung ihrer Bildung, Gesundheit und ihres allgemeinen Wohlbefindens. Die meisten Möbel wurden von de Barros entworfen. Sein Ziel war ein innovatives Design in hoher Qualität, das möglichst kostengünstig produziert und angeboten werden konnte. Ganz im Sinne des Bauhauses und der nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Hochschule für Gestaltung in Ulm, deren Mitbegründer Max Bill und Otl Aicher er kannte, strebte de Barros die Verbindung von Kunst und Leben an. Damit war das Projekt Teil einer grösseren Bewegung, die mit modernem Design nicht nur den ökonomischen Fortschritt, sondern auch die kulturelle Erneuerung Brasiliens prägen sollte.