Le Corbusier
102 - o. T. (Säulen des Parthenons von Athen), um 1911
Aquarell und Graphitstift auf Papier, 21.2 x 13.2 cm
Fondation Le Corbusier, Paris
Zwischen 1907 und 1911 unternimmt Le Corbusier im Alter von rund 20 Jahren mehrere Studienreisen. Er bereist Italien, Wien, Paris, Berlin, dann die Balkanregion, Griechenland und die Türkei. Während der Reisen entstehen Hunderte Zeichnungen, Skizzen und Aquarelle. In kleinformatigen Notizbüchern hält er seine Eindrücke rasch und konzentriert fest. Die Skizzen werden für ihn zu einer Gedächtnisbibliothek, aus der er über Jahrzehnte Inspiration schöpft. Er erwähnt dazu:
«Wenn man reist und sich mit visuellen Dingen beschäftigt, mit Architektur, Malerei oder Bildhauerei, schaut man mit den Augen und zeichnet, um die gesehenen Dinge nach innen zu holen, in die eigene Geschichte. Wenn die Dinge einmal mit dem Bleistift festgehalten sind, bleiben sie ein Leben lang dort, sie werden aufgezeichnet, sie werden eingeschrieben.»
Die Reisen dienen ihm zum Studium der Kunst-, Architektur- und Stadtgeschichte. Insbesondere interessiert sich Le Corbusier für antike Architektur mit ihren klaren Formen, idealen Proportionen und strengen Geometrien – also mit einer bewussten und erkennbaren Ordnung.
In dieser Zeichnung hält Le Corbusier in Bleistift und Aquarellfarbe den Parthenon in Athen fest. Der antike Tempel aus dem 5. Jahrhundert vor Christus zeichnet sich durch die dorischen Säulen aus, die den Tempelraum umschliessen. Le Corbusier wählt einen engen Ausschnitt, in dem die Säulen auf der linken Seite dominieren. Durch die extreme Perspektive und die Nähe zu den Säulen werden ihre Monumentalität, die exakte Geometrie und die strenge Anordnung spürbar. Gleichzeitig kontrastiert Le Corbusier mit diesem nahen Blickwinkel die antike Architektur mit der Weite der Landschaft auf der rechten Seite. Die vom Menschen geschaffene Ordnung und Harmonie prallen auf die Natur und Landschaft.