Le Corbusier
108 - Vertikale Gitarre (1. Version), um 1920
Öl auf Leinwand, 104 x 84.5 x 7 cm
Fondation Le Corbusier, Paris

In der Zeitschrift «L’Esprit Nouveau» publizieren Amédée Ozenfant und Le Corbusier 1918 und 1921 die Texte: «Après le cubisme», nach dem Kubismus, und «Purisme», Purismus. Darin leiten sie den Purismus zwar vom Kubismus her, grenzen ihn aber auch von ihm ab. Den Kubismus kritisieren sie als dekorativ und ornamental. Der Purismus soll dagegen eine neue rationalistische Kunst für die Gesellschaft des Industriezeitalters sein. Die typischen Aspekte des Purismus sind im hier gezeigten Gemälde «Vertikale Gitarre (1. Version)» sichtbar:
Le Corbusier malt eine Art Stillleben mit sehr unterschiedlichen Gegenständen. Er nennt solche Gegenstände «objets-types», also «Typenobjekte»: Es sind keine individuellen Objekte, sondern auf Typen reduzierte Gegenstände. Die Karaffen, Flaschen, Bücher und Gläser in den puristischen Gemälden ähneln sich in allen Werken. Es sind industriell gefertigte Massenprodukte mit klaren, standardisierten Formen, die einer bestimmten Funktion geschuldet sind. Damit entsprechen die Objekte der modernen Lebenswelt – der Gesellschaft des Industriezeitalters – auf die der Purismus abzielt.
Die Gegenstände und den Hintergrund malt Le Corbusier in monochromen Flächen. Sie sind vereinfacht dargestellt und nicht in korrekter Perspektive gemalt. Die Karaffe auf der linken Seite ist von vorne und von oben zu sehen. Die Gitarre erscheint frontal, trotzdem ist auch ihre Seite sichtbar. Der Gitarrenhals und ihr Kopf mit der Stimmmechanik sind rechts von der Gitarre im Hintergrund gemalt. Hier erinnert Le Corbusier an die kubistische Vielansichtigkeit: Ein Gegenstand ist gleichzeitig aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen oder fragmentiert. Bei anderen Gegenständen – wie etwa der Karaffe – sind Schattierungen sichtbar, die der Form ein Volumen geben. Unterhalb der Gitarre ist ein Gerät mit Kurbel dargestellt, davor steht ein Glas. Und auf der linken Seite malt Le Corbusier ein geschwungenes Objekt, dessen Oberseite durch die helle Farbe ins Auge sticht – das Objekt erinnert an die geöffneten Bücher in anderen Werken.