Le Corbusier
112 - La Ville Radieuse, 1930
Gelatineabzug auf Papier, 115.7 x 76.6 cm
Fondation Le Corbusier, Paris

Viele der urbanistischen Ideen und Projekte von Le Corbusier stossen heute auf Unverständnis. Er entwickelt diese jedoch mit Blick auf die Verhältnisse in Grossstädten seiner Zeit, wie etwa in Paris. Die hier in der Ausstellung gezeigten Pariser Fotografien von Charles Marville aus dem 19. Jahrhundert offenbaren diese Verhältnisse. Le Corbusier kritisiert die historisch gewachsenen Städte als unmenschlich, unhygienisch und chaotisch sowie nicht der modernen Lebenswelt entsprechend. Mit seinen Ideen will er das Leben der Bewohner:innen verbessern und den Herausforderungen der industrialisierten Gesellschaft gerecht werden. Dabei denkt Le Corbusier durchaus auch radikal: Städte sollen vollkommen neugestaltet werden – und zwar nach rationalistischen Kriterien. Viele seiner Ideen gelten heute als überholt, hatten aber dennoch grosse Wirkung auf Jahrzehnte des Städtebaus.
Das nie umgesetzte Projekt der «Ville radieuse», der leuchtenden Stadt, ist ein derartige radikales Projekt. Le Corbusier entwirft am Reissbrett eine Stadt für 3 Millionen Menschen. Ordnung und Geometrie sind dabei zentrale Ausgangspunkte.
«Das Menschenwerk heisst Ordnung. Vom Himmel aus gesehen erscheint sie auf dem Erdboden in geometrischen Figuren.»
Die Stadt ist auf einem geometrischen Raster aufgebaut und klar in Zonen für Wohngebäude, Bürogebäude, Verkehr oder Grünflächen gegliedert. Jede Person soll Zugang zu Licht und Natur haben – nicht wie in den historisch gewachsenen Städten. Er sieht aber auch eine hierarchisch-zentralistische Struktur vor, in der im Zentrum die geistige und politische Elite in Wohntürmen lebt und arbeitet. Rundherum ist der Wohnraum der arbeitenden Klassen in Blocksiedlungen. Derartige Konzepte werden heute kritisch betrachtet. Sie stehen im Widerspruch mit Individualismus und kultureller Selbstbestimmung und werden als antidemokratisch und normierend angesehen.