Le Corbusier
116 - Ohne Titel (Tannenstudie), 1905–1906
Graphitstift auf Papier, 18.3 x 12.1 cm
Fondation Le Corbusier, Paris
Der Titel dieser Arbeit «Tannenstudie» verweist auf Le Corbusiers Anfänge an der Kunstgewerbeschule in La Chaux-de-Fonds. Der «style sapin», also «Tannenstil», ist eine regionale Ausprägung des Jugendstils. Im Kunsthandwerk wie auch der Architektur wird der «Tannenstil» umgesetzt. Wohl über seinen Lehrer Charles L’Eplattenier lernt Le Corbusier den Stil kennen.
In seiner Zeichnung von 1905-06 zeichnet er mit Graphitstift schematisch die Struktur eines Baumes. Oben rechts sind zwei detailliertere Studien von Knospen oder Verästelungen dargestellt. Bemerkenswert ist vor allem, wie sich Le Corbusier auf eine bestimmte natürliche Struktur konzentriert. 1925 erinnert sich Le Corbusier in einem Text zur dekorativen Kunst an seinen Lehrer und erwähnt, dass dieser gesagt haben soll:
«Es ist wahr, dass nur die Natur inspiriert. Aber schaffen Sie die Natur nicht nach der Art der Landschaftsmaler, die nur ihr Äusseres zeigen. Erforschen Sie die Ursache, die Form, die vitale Entwicklung und synthetisieren Sie sie durch die Schaffung von Ornamenten.»
Kunstschaffende sollen nach L’Eplattenier nicht das Äussere der Natur darstellen. Vielmehr dient das Naturstudium zur Analyse von Strukturen und der verborgenen Ordnung der Dinge. Diese soll erforscht, in die Kunst übertragen und so sichtbar gemacht werden.
L’Eplattenier ermutigt Le Corbusier Künstler zu werden und vermittelt ihm seinen ersten Auftrag als Architekt. 1905 bis 1907 baut Le Corbusier die Villa Fallet in La Chaux-de-Fonds im «Tannenstil».