Le Corbusier
115 - Ohne Titel (Knochen mit Schlagschatten), um 1932
Gouache, Pastell und Graphitstift auf Papier, 26.2 x 36.4 cm
Fondation Le Corbusier, Paris
Bereits während seiner Ausbildung in La Chaux-de-Fonds zeichnet Le Corbusier Naturstudien nach Tannenzapfen oder Blüten. Über die Jahrzehnte legt er sich eine «collection particulière» an – eine Privatsammlung. Sie umfasst zeitgenössische Kunstwerke, griechische und byzantinische Kleinkunst, antike Gegenstände, aber auch allen möglichen Krimskrams, Naturalien oder rund 2'000 Postkarten. Sie dienen ihm als «Objets à réaction poétique»: Objekte, die aus ästhetischen Gründen in ihm eine poetische Reaktion auslösen. Dies kann die Schale einer Krabbe sein, die ihn zur Gestaltung des Dachs der Kapelle in Ronchamp inspiriert; oder ein Kiesel und eine Wurzel, die ihn zum Motiv des Stieres in den 1950er Jahren führen. In einer Darstellung aus dem Jahr 1948 verbindet er die Zeichnung von zwei Schneckenhäusern mit einer Fotografie der Fassade einer von ihm konzipierten Villa. Dazu meint Le Corbusier:
«Ein Gebäude sei wie ein Schneckenhaus, umgeben von einem Garten, der materielle und geistige Nahrung biete.»
Überall bestehen Verbindungen und Beziehungen, die wiederum zu einer Reaktion führen können. Le Corbusiers Sammlung ist Teil seiner «geduldigen Forschung» und der damit verbundenen Suche nach Ordnung und Klassifizierung. Le Corbusier hält das Äussere, die Oberfläche der Natur für chaotisch, die Umrisse von Seen oder Bergen erscheinen «zerhackt, zerstückelt», sie sind nichts als «Verwirrung». Durch das Sammeln, Klassifizieren, Auslesen und Erforschen versucht Le Corbusier Regeln, Gesetze und Strukturen zu finden, um dieses Chaos zu ordnen.
«Der Mensch, ein Geschöpf des Universums, verleibt das Universum in seinen Standpunkt ein; er handelt nach dessen Gesetzen, er meinte, sie entziffert zu haben; er hat sie formuliert und in ein zusammenhängendes System gebracht, einen rationalen Kenntnisstand, nach dem er handeln, erfinden und schaffen kann.»