Rose Wylie
Snowwhite (3) with Duster, 2018
Öl auf Leinwand, 183.5 x 320 cm
Private Collection; © Rose Wylie; Courtesy the artist and David Zwirner; Photo: Jo Moon Price

Der Zeichentrickfilm Snow White and the Seven Dwarfs (Schneewittchen und die sieben Zwerge) von Walt Disney war der erste Film, den Rose Wylie 1937 im Kino sah. Die filmische Erzählung des Märchens beeindruckte Wylie, auch wenn die Darstellung der weiblichen Hauptfigur problematisch erscheint: Schneewittchen bereitet die Hausarbeit grosse Freude und ihr Lebenstraum erfüllt sich in der Heirat mit einem Prinzen. Auf die Frage, ob mit diesem Gemälde eine feministische Botschaft beabsichtigt sei, betont Wylie, dass ihre Motive nie auf eine konkrete Interpretation konzentriert werden können.
Für Wylie sind Zeichner wie Walt Disney und auch der Schöpfer der Betty-Boop-Comics, Max Fleischer, Vorbilder, da sie eigenständige Bildwelten erschaffen haben, die keinen Anspruch auf realistische Darstellung erheben. In ihrer Comicwelt sind sie nicht an konventionelle Regeln gebunden, wie etwa an die Darstellung von Proportionen oder der räumlichen Distanz von Objekten. Der Einfluss dieses Stils zeigt sich in Wylies Figuren und ihrem Einsatz von schwarzen Umrisslinien. Häufig scheinen ihre Figuren vor dem Bildhintergrund zu schweben oder stehen in einem unrealistischen Grössenverhältnis zueinander. Auch die Darstellung von Zeit bricht Wylie auf, indem zwei aufeinanderfolgende Momente einer Geschichte nebeneinander gezeigt werden. Im Gemälde ist Schneewittchen gleichzeitig bei der Hausarbeit und tot im Sarg liegend zu sehen. Diese Art der Simultandarstellung ist aber nicht nur aus Comics entlehnt, sondern wurde beispielsweise bereits in Höhlenmalereien und in Fresken der Frührenaissance angewandt.