Paul Klee
210 - Laterne in d. Stadt, 1912

Dieses Werk von 1912 zeigt besonders deutlich, wie sich Paul Klee zu Beginn der 1910er-Jahre mit den aktuellen Tendenzen der Malerei auseinandersetzt. Das Aquarell mit Feder und Bleistiftzeichnung hat eine sogartige Wirkung. Wie durch einen Strudel wird unser Blick ins Zentrum des Bildes gezogen. Etwas nach links aus der Bildmitte verschoben malt Klee das Zentrum eines Strahlenkranzes. Von hier gehen Strahlenbänder in alle Richtungen den Bildrändern entgegen. Rund um dieses Zentrum malt Klee wellenförmig eine Art Strasse aus farbig-geometrischen Flächen. Diese sind nicht rechtwinklig, sondern in einer strudelartigen Bewegung um das Zentrum verzogen. Am Rande dieser Strasse sind die Häuser einer Stadt mit ihren Fenstern angedeutet. Der Strahlenkranz ist das Licht einer Laterne, wie aus dem Titel «Laterne in der Stadt» hervorgeht.
Klee versucht in diesem Bild kubistische und futuristische Ideen zu verarbeiten. Die höchst dynamische Wirkung der strudelartigen Bewegung verweist auf den italienischen Futurismus. Die verzogene Flächenstruktur erinnert an den Kubismus. 1912 macht Klee eine Studienreise nach Paris und sieht die Werke der Kubisten. Er besucht dabei auch Robert Delaunay, dessen dynamische, in bunten Farben ausgeführten Werke ihn besonders inspirieren. Auch in den Münchner Galerien und in Zürich kann er Werke der Kubisten und Futuristen sehen.
In Bern lösten die modernen Tendenzen der Bildenden Kunst heftige kulturpolitische Debatten aus. 1913 und 1914 wurde im Parlament die fortschrittliche Kunstauffassung der eidgenössischen Kunstkommission kritisiert. Ein Parlamentarier bemerkte dabei folgendes:
«In der Schweiz herrscht eine allgemeine Empörung. Der gesunde Menschenverstand empört sich gegen die Auswüchse der Kunst: Gründe Pferde, blaue Kühe und so weiter. Futurismus, Kubismus, das ist die modernste Fortentwicklung der Kunst ad absurdum!»