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Anni Albers

108 - Variations on a Theme, 1958

Baumwolle, Leinen und Plastik, 71.6 x 61.6 cm

The Josef and Anni Albers Foundation, Bethany, CT

Anni Albers, Variations on a Theme

Bei dieser Webarbeit von 1958 bildet das übliche Gitter aus rechtwinklig verwobenen Kett- und Schussfäden die Grundstruktur. Anni Albers verwendet Baumwolle und Leinen, die heute in Beige und Brauntönen erscheinen. Es ist ein Doppelgewebe, bei dem die untere Schicht aus schwarzen und weissen Fasern besteht – wie Untersuchungen gezeigt haben. Dies lässt vermuten, dass die obere Schicht ursprünglich ebenfalls Schwarzweiss war und nicht in Brauntönen.

Albers legt die Komposition in horizontalen Schichten an. Sie bestehen jeweils aus fünfzehn Einheiten. In jeder zweiten horizontalen Schicht sind die Fäden ineinander verdreht und teils um Kunststoffstäbe gewickelt. Diese Webtechnik wird Leno oder auch Dreherbindung genannt. Leno ist eine präkolumbische Webtechnik, mit der ein sehr dünnes und doch festes Textil gewoben werden kann. Mithilfe dieser Webtechnik erzielt Albers eine offene Struktur mit grossen Zwischenräumen, die aber trotzdem stabil bleibt. Die jeweils fünfzehn Einheiten jeder horizontalen Schicht gestaltet sie unterschiedlich: teils sind wenige Kettfäden miteinander verdreht, teils sind alle Kettfäden gemeinsam um den Stab gedreht; teils erscheinen die braunen, ehemals schwarzen Kettfäden oben, teils sind es die beigen, früher weissen Kettfäden. Schon 1939 bemerkt Albers:

«Da einzig das Material der Kunst Realität verleiht, erfahren wir, indem wir es formen, mehr über die Kräfte, die bei jedem Schaffensprozess am Werk sind.»

Der Titel dieses Werkes Variationen eines Themas spricht genau diese Vielfalt der Gestaltung an. Die Verbindung zur Musik und konkret zu Johann Sebastian Bach, dessen Kompositionen Albers sehr schätzt, ist hier naheliegend. Ebenso zur Idee der Polyphonie bei Paul Klee. Eine Grundstruktur wird dabei in Variationen wiederholt. Bei Albers Webarbeit ist es die Variation im Umwickeln des Rundstabs.

Wie in vielen Webarbeiten erzielt Anni Albers eine spannende, vielfältige Struktur im Zusammenspiel von verschiedenen Materialien und variantenreicher Webtechnik.