Anni Albers
111 - With Verticals, 1946
Baumwolle und Leinen, 154.9 x 118.1 cm
The Josef and Anni Albers Foundation, Bethany, CT

Diese Webarbeit macht Anni Albers kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 1946. Sie nennt das Werk With Verticals – mit Vertikalen oder Senkrechten. Vertikale dunkle Linien strukturieren das Werk. Sie unterscheiden sich in ihrer Länge und sind über das gesamte Bildfeld verteilt. Sie scheinen sich von der Mitte, wo die längste Linie zu sehen ist, hin zu den Ecken zu bewegen. Eine Logik wird dabei nicht erkennbar, dennoch erzielt Albers eine harmonische Wirkung der gesamten Komposition.
Die Vertikalen stechen klar aus dem farbigen Grund hervor. Diesen bilden die horizontalen Schussfäden aus roten und goldenen Fäden. Die vertikalen Linien entstehen dadurch, dass hier die schwarze Faser der vertikalen Kettfäden sichtbar ist, das heisst, sie sind von den Schussfäden ausgespart. Bei näherer Betrachtung ist die diagonale Struktur der farbigen Schussfäden sichtbar, sowie die Auslassungen, die den schwarzen Faden erst sichtbar machen. Derartige Techniken, die spezifisch in der Webtechnik möglich sind, zeigen wie sich das Gestalten in der Weberei von der Malerei unterscheidet. Albers bemerkt dazu:
«Der Weber muss aus dem Gedächtnis arbeiten, während der Maler immer die gesamte Leinwand vor sich hat und hinzufügen oder wegnehmen kann.»
Mit derartigen Techniken des Aussparens wird der Unterschied im Arbeitsprozess in der Weberei im Vergleich zur Malerei besonders deutlich.
With Verticals ist wohl eine von Albers wichtigsten «pictorial weavings», den bildhaften Textilien, die eine rein ästhetische Funktion haben. In der Ausstellung sind zudem zwei Siebdrucke zu sehen mit demselben Motiv der vertikalen Linien. Die Siebdrucke sind Teil einer Mappe mit neun Siebdrucken, die Albers 1983 erstellt. Jeder Siebdruck beruht auf einer wichtigen Komposition aus ihren vorangehenden Schaffensphasen seit 1925.