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Anni Albers

117 - Sheep May Safely Graze, 1958

Baumwolle und Lurex, 36.8 x 59.7 cm

The Museum of Arts and Design, New York, gift of Karen Johnson Boyd, through the American Craft Council, 1977

Anni Albers, Sheep May Safely Graze

Bereits in den beiden Werken La Luz von 1947 und 1958, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind, verwendet Anni Albers eine Kreuzform über einem farbigen Bildgrund. Im Vergleich zu La Luz setzt Albers die Metallfaser hier sehr sparsam ein. Nur am oberen und unteren Bildrand umrahmen sie die ganze Komposition. Die Kreuzform ist umgeben von sich abwechselnden geometrischen Flächen aus blauer und gelber Baumwolle. Diese Gestaltung erinnert an Albers Arbeiten aus der Bauhauszeit. Die horizontale Ausrichtung des breiten Kreuzes und der breiten farbigen Flächen kontrastiert mit den senkrechten Linien der Fransen am oberen und unteren Bildrand. Zur Verwendung des Materials meint sie:

«Materialien verleihen den Gedanken eine Form. Mein Ziel ist Beständigkeit – sowohl hinsichtlich des Materials als auch im Hinblick auf die Form, die ihm gegeben wurde.»

Mit derartigen Werken geht ihr Schaffen in eine neue Richtung, weg von funktionalen Stoffen hin zu mehr künstlerischen Arbeiten. Später wird sie diese «pictorial weavings» nennen, also Bildwebereien. Sie erwähnt dazu:

«Ich sehe meine Wandbehänge als Versuch, zur Kunst zu gelangen, also dem zu ihrer Herstellung verwendeten Material eine tiefere Bedeutung zu geben.»

Mit dem Titel Sheep May Safely Graze – Schafe können sicher weiden – verweist Albers auf eine Kantate ihres Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach: «Was mir behagt ist nur die muntre Jagd». Sie ist auch als «Jagdkantate» bekannt und eine weltliche Komposition von Bach. Die aus dieser Kantate stammende Sopranarie «Schafe können sicher weiden» ist der bekannteste Teil davon – geradezu ein Ohrwurm der Klassik. Mit dem Motiv der weidenden Schafe entsteht für Albers ein spiritueller Bezug zu Psalm 23, indem Jesus als «guter Hirte» bezeichnet wird.