Anni Albers
118 - Epitaph, 1968
Baumwolle, Leinen und Lurex, 149.9 x 58.4 cm
The Josef and Anni Albers Foundation, Bethany, CT

Epitaph, so der Titel dieses Werkes, ist eine der letzten Webarbeiten von Anni Albers. Sie wird sich danach vor allem der Herstellung von Druckgrafik zuwenden und ihre über vierzigjährige Gestaltung in der Weberei abschliessen.
Epitaph, was so viel bedeutet wie Grabinschrift, ist ein handgewobenes Werk in hohem, schmalem Format. Es erinnert an Albers sakrale Arbeiten etwa für die Synagoge in Woonsocket oder an ihr Werk Six Prayers. Auch hier verwendet sie wieder goldenes Lurex in breiten Streifen, verbunden mit feinen Kettfäden aus schwarzem und weissem Leinen. Durch die breiten, goldenen Lurex-Streifen erinnert das Werk an ein schimmerndes Mosaik aus kleinen quadratischen Formen. Darüber zieht Albers flauschige Chenillefäden in Schwarz und Weiss. Sie steigen wie Rauch oder wolkiger Dunst den Bildgrund empor. Die Fäden beginnen zaghaft am unteren Rand, verdichten sich immer mehr zu einer mäandrierenden Struktur, bis sie sich am oberen Rand wieder auflösen. Der streng geometrische – aber auch glänzende – Untergrund kontrastiert mit der ungeordneten Struktur der weissen und schwarzen Fäden.
Einmal mehr spielt Albers gekonnt mit unterschiedlichen Qualitäten: glänzend und matt, hart und weich, hell und dunkel, starr und bewegt, geordnet und ungeordnet. Aufgrund ihrer enormen Erfahrung und Kenntnis setzt die Künstlerin präzis ausgewählte Materialien ein und verdichtet diese zu einer stimmigen Komposition. In ihrem letzten öffentlichen Vortrag meint sie:
«Ich möchte vermitteln, dass das Material ein Mittel der Kommunikation ist. Indem wir ihm zuhören und es nicht dominieren, macht es uns wirklich aktiv. Um aktiv zu sein, muss man also passiv sein. Je feiner wir uns auf das Material einstellen, desto mehr nähern wir uns der Kunst.»