Anni Albers
120 - Ohne Titel, ca. 1980
Filzstift auf Papier, 27.9 x 21.5 cm
The Josef and Anni Albers Foundation, Bethany, CT

Viele Webarbeiten von Anni Albers, insbesondere diejenigen für sakrale Räume, erinnern in ihren Kompositionen an Wörter, Sätze und Textabschnitte. In Werktiteln wie Offener Brief, Grabinschrift oder Alte Schrift wird der Bezug zur Schrift deutlich. Das Verhältnis von Bild und Schriftbild sowie von Zeichen und Form gehen in Albers Werk spannende Dialoge ein.
Interessanterweise gibt es im Blick auf die Wortherkunft eine enge Verwandtschaft zwischen «Text» und «Textil». Die Wurzeln sind im griechischen Wort «techne» zu finden, das wörtlich «Meisterhandwerk» bedeutet. Es ist aber auch die Wurzel des lateinischen Wortes «texere», das «weben» bedeutet. Von ihm leiten sich beide Wörter «Text» und «Textil» ab.
In dieser Zeichnung arbeitet Albers mit Filzstift. Mit etwas Abstand betrachtet erweckt die Arbeit den Eindruck, es handle sich hier um einen Brief: einzelne Formen wirken wie Buchstaben und ihre Reihung wie Zeilen eines Textes. Bei näherer Betrachtung zeigen sich abstrakte Formen anstelle von Buchstaben. Die Formen erinnern an schwebende Schussfäden, wie sie Albers in ihren Webarbeiten verarbeitet. Mit dem Wechsel der Farbe bringt sie Spannung in die Komposition und hebt das Bildhafte hervor – im Gegensatz zum ersten Eindruck von Schrift. Anni Albers spielt mit unserer Wahrnehmung. Gleichzeitig ist die Freude am spontanen und freien Gestalten spürbar, etwas das in der Weberei nur bedingt möglich ist.