Einleitung
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blüht die Zeitschrift als künstlerisches Medium auf. Revolutionäre, avantgardistische Kunstströmungen wie der Dadaismus, der Futurismus, der Surrealismus oder der Konstruktivismus nutzen die Form der Zeitschrift, um neue Theorien zur Kunst in Umlauf zu bringen, den gesellschaftlichen und künstlerischen Wandel zu fordern und auf sich aufmerksam zu machen.
Diese Ausstellung stellt Zeitschriften aus fünf Kontinenten vor, die in ihrem Kontext besonders bedeutsam sind. Diese Zeitschriften setzen sich bewusst über künstlerische, gestalterische und gesellschaftliche Konventionen ihrer Zeit hinweg, um neuartigen Ideen visuell Ausdruck zu geben. Damit haben sie nicht nur künstlerisch Massstäbe gesetzt, sondern wurden auch zu Vorbildern innovativer, moderner Gestaltung.
Themen
Avantgarde
Avantgarde bedeutet «Vorhut». Der Ausdruck stammt aus der Militärsprache und bezeichnete denjenigen Teil einer Armee, der als Erster vorrückt und somit das grösste Risiko eingeht. In der Kunstgeschichte steht der Ausdruck für die künstlerischen Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts, die das Verständnis von Kunst revolutionieren und Kunst und Leben zusammenführen wollen.
In Europa haben die Avantgarden ihre Blütezeit zwischen 1910 und 1933. Insbesondere die Zerstörungen des Ersten Weltkriegs und der Niedergang der europäischen Grossreiche und der damit verbundenen Werteordnungen sind wichtige Impulse für den Traum eines radikalen Neubeginns in der Kunst. Ab 1910 entstehen zahlreiche avantgardistische Strömungen, die sich gegenseitig unterstützen oder auch bekämpfen.
Viele Avantgarde-Strömungen verfolgen auch politische Ziele. Einige stellen sich in den Dienst des revolutionären Kommunismus. Während in Nazideutschland die Avantgarde als «entartet» diffamiert wird, wächst sie in Italien mit dem Faschismus zusammen und propagiert die Erneuerung der Welt durch den Krieg. Avantgarde-Bewegungen entwickeln sich auch in nicht-westlichen Ländern, z. B. in Japan, Südamerika, Indien oder im Maghreb.
Zeitschrift als Kunstform
Die Zeitschrift entsteht im 19. Jahrhundert als neuartiges Medium. Besonders beliebt sind zunächst satirische Zeitschriften. Im 20. Jahrhundert wird die Zeitschrift auch von Künstler:innen als Medium entdeckt. Zeitschriften sind im Vergleich zu Büchern schnell und relativ kostengünstig zu produzieren. Inhaltlich beziehen sie sich auf das hier und jetzt. Weil sie vergänglich sind, bieten sie auch neue gestalterische Freiheiten.
Fast alle avantgardistischen Zeitschriften zeichnen sich durch eine originelle Umschlaggestaltung mit moderner Typografie und künstlerischen Elementen aus. Die Schriftgestaltung, die Wahl des Papiers und die Möglichkeiten unterschiedlicher Druckverfahren eröffnen einen Spielraum, der weit über Text und Bild hinausgeht. In vielen Fällen haben die Titelseiten selbst Kunstwerkcharakter. Andere präsentieren sich auf den ersten Blick konventionell, aber überraschen mit subversiven Inhalten.
Avantgarde-Zeitschriften gelten heute als einzigartige Objekte, die zu hohen Preisen gehandelt und als Kunstwerke ausgestellt werden. Da Zeitschriften materiell nicht auf ihren langfristigen Erhalt ausgelegt sind oder nur in kleiner Auflage hergestellt wurden, sind viele Avantgarde-Zeitschriften sehr selten und oft so wertvoll wie die Kunstwerke selbst, die darin abgebildet sind.
Umgang mit Papier
Mit dem Erfolg der Zeitschrift wird das Papier zum wichtigsten Medium der Kunst: als Träger von Bildern, die günstig in grosser Zahl reproduziert werden können, aber auch als Medium neuartiger Ideen, als Werkstoff und als Material, das Künstler:innen selbst kontrollieren können. Damit können sie darauf Einfluss nehmen, wie ihr Werk von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Im Gegensatz zum traditionellen Buchdruck, wo Gestaltung und Inhalt nicht aufeinander verweisen, bilden bei den Avantgarde-Zeitschriften Material, Gestaltung, Typografie und Inhalt eine Einheit. Gewisse Zeitschriften spielen mit den Möglichkeiten des Papiers, indem sie es einfärben oder perforieren. Andere benutzen Hochglanzpapiere und betonen so ihren technisch-industriellen Charakter, wieder andere spielen mit Transparenzeffekten oder drucken in mehreren Schichten übereinander. Manche setzen auf hochwertige Produktionen oder limitierte Auflagen und greifen damit den Charakter eines Kunstobjekts auf.
Experimentelle Typografie
Im frühen 20. Jahrhundert entwickelt sich die illustrierte Zeitschrift zum modernen Massenmedium schlechthin. Avantgarde-Zeitschriften nutzen die Popularität dieses neuen Mediums und setzen sich inhaltlich und gestalterisch von den Konventionen der Zeit ab. Meistens richten sie sich nur an eine kleine Leserschaft.
Viele Avantgarde-Zeitschriften nutzen die Schriftgestaltung als Möglichkeit, radikale Ideen visuell erfahrbar zu machen und Aufmerksamkeit zu schaffen. Ausdrucksstarke Schriften und spannungsreiche Schriftbilder signalisieren Dynamik und den Bruch mit der Tradition.
Die originelle Schriftgestaltung der Avantgarde-Zeitschriften setzt Massstäbe für die Entwicklung einer neuen Typografie, die Ausdrucksstärke, Klarheit und Schlichtheit in den Vordergrund stellt. Gestalterische Ideen, die zunächst nur von radikalen Künstlergruppen genutzt werden, fliessen schon in den 1920er-Jahren in die Werbung ein und finden dort bis heute Anwendung.
Netzwerk
Viele Avantgarde-Zeitschriften verweisen aufeinander. Europa- und weltweit vernetzen sich avantgardistisch gesinnte Künstler:innen und nutzen das Format der Zeitschrift, um über neuste Ausstellungen und Entwicklungen im Ausland zu berichten oder Abbildungen von Werken zu verbreiten.
Einzelne Kunstschaffende engagieren sich als Vernetzer:innen und Herausgeber:innen von Zeitschriften besonders, z. B. der Galerist Herwarth Walden in Deutschland, der Futurist Filippo Tommaso Marinetti in Italien, der Konstruktivist Karel Teige in Prag oder der Dadaist Francis Picabia in Frankreich und den USA, ebenso wie die Malerin und Bildhauerin Sophie Taeuber-Arp. Durch die Herausgabe von Zeitschriften stärken sie ihre eigene Position als Anführer:innen der modernen Bewegung in ihrem jeweiligen Kontext.
Viele Zeitschriften haben den Charakter künstlerischer Manifeste. Die Autor:innen der jeweiligen Zeitschriften stellen sich so in den Dienst einer künstlerischen Idee. Gleichzeitig enthalten viele Zeitschriften Werbeseiten, in denen auf Zeitschriften in anderen Städten oder Ländern hingewiesen wird. Gemeinsam haben sie oft nur, dass sie einen radikalen Neubeginn fordern und sich gegen das kulturelle und institutionelle Establishment wenden.
Mehrsprachigkeit
Avantgarde-Zeitschriften erscheinen häufig mehrsprachig oder enthalten Inhalte in unterschiedlichen Sprachen. Diese Mehrsprachigkeit widerspiegelt die Lebensrealität vieler Vertreter:innen der künstlerischen Moderne, die unter anderem während der Zeit der Weltkriege im Exil leben oder Migrant:innen sind.
Avantgardistische Kunstströmungen sind oft international ausgerichtet. Die beteiligten Künstler:innen sind weltweit vernetzt und pflegen dieses Netzwerk unter anderem über Zeitschriften, in denen sie publizieren.
Der Sprachgebrauch spiegelt auch die geopolitischen Verhältnisse der damaligen Zeit. Französisch, Deutsch oder Russisch werden in Europa als Verkehrssprachen genutzt, Englisch hingegen nicht. Mehrsprachige Publikationen erscheinen vor allem in Orten und Städten abseits der kulturellen und politischen Machtzentren des Westens, die unterschiedlichen kulturellen Einflüssen ausgesetzt sind, wie z. B. in Prag oder Belgrad.
Auch in nicht-westlichen Ländern wie Japan oder Brasilien entfalten sich Modernisierungsprozesse und avantgardistische Bewegungen entwickeln sich. Diese geben Zeitschriften heraus, die oft auch sprachliche und kulturelle Brücken zur westlichen Moderne schlagen.
Zeitschriften
DER STURM (Berlin, 1910–1932)
Der Sturm ist eine der ersten Zeitschriften Deutschlands, die für einen radikalen Modernismus einsteht und den italienischen Futurismus und französischen Kubismus in Deutschland bekannt macht.
Sie bricht mit den dekorativen und figurativen Darstellungen der verbreiteten Zeitschriften. Stattdessen werden expressionistische und konstruktivistische Holzschnitte und Zeichnungen sowie Texte und «Wortkunst» avantgardistischer Schriftsteller:innen publiziert.
Die Zeitschrift versteht sich nicht nur als künstlerische, sondern auch politische Stimme der Zukunft: Durch Texte zu Frauenrechten oder Verhütung löst sie Kontroversen aus. Zugleich ist die Zeitschrift ein Werbemittel für die gleichnamige, 1912 eröffnete Berliner Galerie.
DADA (Berlin & Zürich, 1916–1920)
Die Zeitschriften des Dadaismus gelten als Inbegriff avantgardistischer Zeitschriften. Beispielhaft werden die gestalterischen Konventionen der Zeit durch die wild durchmischten, grossen und kleinen, farbigen und fetten Lettern durchbrochen.
In den Dada-Zeitschriften drückt sich die politische, gesellschaftliche und künstlerische Instabilität der Zeit des Ersten Weltkriegs beispielhaft in einer damals völlig neuartigen, provokativen visuellen Form aus.
Die Zürcher Zeitschriften werden in der kleinen Druckerei des Anarchisten Wilhelm Julius Heuberger (1888–1965) gedruckt, der anlässlich des Landesstreiks 1918 verhaftet wird.
Da Dada-Zeitschriften mit minimalem Budget und in einer Zeit der Rationierung von Papier und Tinte gedruckt werden, erscheinen sie nur unregelmässig, in Kleinauflagen oder einzelnen Ausgaben.
291 (New York, 1915–1916)
291 erscheint als Publikationsorgan der gleichnamigen Galerie des Fotografen Alfred Stieglitz (1864–1946) an der 291 Fifth Avenue in Manhattan. Sie hat zum Ziel, Amerika als Epizentrum der künstlerischen Innovation darzustellen und somit den Fokus weg von Europa zu rücken.
Geprägt von den Kunstwerken von Francis Picabia (1879–1953) und Marius de Zayas (1880–1961) bewegt sich die Zeitschrift zwischen Dadaismus und Futurismus. Visuell und inhaltlich setzt sie sich mit der Schnittstelle von Fotografie, modernen Technologien und Kunst auseinander. Texte werden typographisch expressiv gestaltet, sodass sie «innere Regungen» offenbaren sollten. Die Herausgeber bezeichnen dieses Gestaltungsprinzip als «Psychotypie».
291 ist von Anfang an als kurzlebige Zeitschrift geplant und so wird bei der Produktion nicht gespart: Gedruckt wird auf qualitätsvollem Papier mit hochwertiger Tinte.
MERZ (Hannover, 1923–1932)
Hannover entwickelt sich in der Zwischenkriegszeit zu einem kulturellen Zentrum. Dort gründet Kurt Schwitters (1887–1948) die Zeitschrift Merz, Publikationsorgan seiner gleichnamigen Ein-Mann-Kunstbewegung.
Der Name geht wie Dada auf eine zufällige Wortfindung zurück. Die erste Merz-Nummer ist Holland Dada gewidmet und erscheint als Kleinformat. Ab dem Heft 8-9 Nasci, eine von El Lissitzky (1890–1941) gestaltete Ausgabe, werden die Formate abwechslungsreicher, experimenteller und konstruktivistischer.
Schwitters betätigt sich auch als Grafiker und gründet 1928 den internationalen «Ring neue Werbegestalter», der Ideen aus der künstlerischen Avantgarde aufgreift und als Wegbereiter des modernen Grafikdesigns gilt.
Cercle et Carré (Paris, 1930) / Círculo y Cuadrado (Montevideo, 1936–1943)
Die auf abstrakte Kunst ausgerichtete Zeitschrift Cercle et Carré ist als Versuch entstanden, ein Gegengewicht zum Surrealismus in Paris zu schaffen und am Konstruktivismus interessierte Kunstschaffende zu vereinen.
Der Fokus der Zeitschrift, die aus nur wenigen Papierbögen besteht, liegt nicht auf dem Abdrucken von Kunst, sondern auf Texten.
Nach nur drei Ausgaben und einer Ausstellung löst sich die Pariser Gruppe auf. Der Mitbegründer der Zeitschrift, Joaquín Torres García (1874–1949) kehrt 1934 in seine Heimat Uruguay zurück und führt dort die Zeitschrift unter dem Titel Círculo y Cuadrado weiter.
bauhaus (Dessau und Berlin, 1926–1931)
Die Zeitschrift Bauhaus ist das Publikationsorgan der gleichnamigen Schule für Kunst und Gestaltung in Weimar, Dessau und Berlin (1919–1933), an der Paul Klee als Lehrer tätig ist (1921–1931). Die Schule nimmt eine zentrale Rolle in der Verbreitung avantgardistischer Ideen in Deutschland und darüber hinaus ein.
Die Bauhaus-Zeitschrift nutzt beispielsweise die an der Schule von Herbert Bayer (1900–1985) entwickelte universalschrift, die konsequent auf Kleinschreibung setzt, und bei der sich alle Buchstaben nur aus einer Linie und einem Kreis zusammensetzen.
Die Zeitschrift veröffentlicht theoretische Texte und Besprechungen von Werken der Lehrer:innen und trägt so zur Profilierung der Schule bei. Die letzte Ausgabe der Zeitschrift ist ganz Paul Klee gewidmet, da dieser zum Zeitpunkt des Erscheinens die Schule verlässt.
ReD (Prag, 1927–1931)
Der Titel der Zeitschrift ReD ist eine Abkürzung von Revue Devětsil. Devětsil ist eine Gruppe tschechoslowakischer Künstler:innen, Architekt:innen und Schriftsteller:innen, die sich der Idee einer avantgardistischen, abstrakten und «proletarischen» Kunst verschreibt.
Zeitgenössische Kunstbewegungen wie den Futurismus oder den Kubismus sehen sie als Manifestationen des Kapitalismus. Der Titel der Zeitschrift, ReD, bezieht sich auf das linke politische Programm der Zeitschrift: Diese sei das «rote Signal einer kommenden neuen kulturellen Epoche».
Die Zeitschrift ist einerseits tief in der tschechischen Kunstszene verankert, andererseits kosmopolitisch orientiert und fördert die Vernetzung der Avantgarden zwischen West-, Ost- und Zentraleuropa.
Stile Futurista (Turin, 1934–1935)
Die Zeitschrift Stile Futurista wird vom Verfasser des futuristischen Manifests Filippo Tommaso Marinetti (1876–1944) herausgegeben, der sich in Italien als Herausgeber zahlreicher Zeitschriften und Manifeste profiliert und später auch als faschistischer Politiker agiert. Sie widmet sich der Ästhetik der Maschine und deren Interaktionen mit Kunst und Leben.
Die Covers der Zeitschrift greifen die zentralen Themen des Futurismus auf, darunter die Idee einer gesellschaftlichen Revolution durch technischen Fortschritt und die Zelebrierung des Krieges. Während frühe futuristische Zeitschriften durch expressive Typographie Aufmerksamkeit generieren, entspricht Stile Futurista mehr einer klassischeren Zeitschrift.
Stile Futurista zeigt exemplarisch die Verbindung zwischen Futurismus und Faschismus auf und macht sichtbar, dass avantgardistische Kunstbewegungen auch totalitären Charakter haben können.
Kentiku Sekai (Tokyo, 1907–1944)
Kentiku Sekai («Welt der Architektur») ist die erste Architekturzeitschrift Japans. Inhaltlich bewegt sie sich zwischen der Architektur der internationalen Moderne und der traditionellen japanischen Bauweise. Dabei wird die Architektur als Form der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen angesehen.
Die Zeitschrift erscheint in einer Zeit des Umbruchs in Japan, was sich unter anderem in der Schriftgestaltung äussert. Das Heft wird nicht nur, wie traditionell in Japan üblich, von oben nach unten und von rechts nach links gelesen, sondern vermehrt nach «westlicher» Art von links nach rechts. So sind in Kentiku Sekai Texte auf beide Arten gestaltet. Das Heft kann von vorne nach hinten und umgekehrt gelesen werden.
Das führt dazu, dass auch die Rückseite Covercharakter hat: Mit den gleichen Angaben wie auf der Vorderseite, aber in lateinischer Schrift, erscheint eine Weltkarte, auf der alle Wegweiser nach Japan deuten.
Minotaure (Paris, 1933–1939)
Minotaure ist die erste Avantgarde-Zeitschrift, die Vollfarbdruck einsetzt. Der qualitätsvolle Abdruck von Kunst steht im Zentrum. Die gesamten Verkaufseinnahmen der Zeitschrift fliessen in diese aufwendige Produktion.
Die titelgebende mythologische Figur wird auf jeder der elf Ausgaben von einem anderen Künstler interpretiert. Den Anfang macht Pablo Picasso (1881–1973), gefolgt unter anderem von Marcel Duchamp (1887–1968), Joan Miró (1893–1983) und Salvador Dalí (1904–1989).
Das Ziel der surrealistischen Zeitschrift ist die radikale Erweiterung der menschlichen Fantasie und Vorstellungskraft, die Thematisierung des Unbekannten und Verdrängten und das Zusammenführen der Künste: Es erscheinen Texte zu Poesie, Musik, Psychoanalyse und Ethnologie. Durch die experimentelle Gestaltung der Seiten mit vielen präzise angeordneten Bildern erhalten diese Kunstwerkcharakter.
abstrakt konkret (Zürich, 1944–1949)
Das Bulletin abstrakt konkret wird von der Galerie des Eaux Vives in Zürich herausgegeben und versteht sich als Sprachrohr der Allianz, einer Schweizer Gruppierung von avantgardistisch gesinnten Künstler:innen, die sich der gemeinsamen Förderung der modernen Kunst verschreibt und insbesondere die abstrakte und konkrete Kunst ins Zentrum stellt. Sie ist eng mit der Bewegung der Zürcher Konkreten verbunden.
Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Zeitschrift wird die moderne Kunst in der Schweiz kontrovers diskutiert und steht im Widerstreit zu einer national orientierten Kunst der «geistigen Landesverteidigung».
Die Umschläge werden teilweise auf grellbuntes Papier gedruckt und jeweils von einer Künstler:in geschaffen, unter anderem von Max Bill (1908–1994), Verena Loewensberg (1912–1986) oder Richard Paul Lohse (1902–1988). Das Heft enthält zahlreiche Originalgrafiken sowie Essays zu Kunstbewegungen.
Arte Madí Universal (Buenos Aires, 1947–1954)
Arte Madí Universal wird als Publikationsorgan der Grupo Madí in Argentinien ins Leben gerufen, die der abstrakten («konkreten») Kunst verschrieben ist.
In der allerersten Ausgabe erscheint das Manifest der Gruppe, das «Dynamik» als Hauptthema der Arte Madí proklamiert. Auf den Seiten der Zeitschrift werden Gemälde Gedichten und Musikstücken gegenübergestellt. Die Gemälde sind häufig ungleichförmig gerahmt. Farbige Abbildungen werden, wie in vielen Zeitschriften dieser Zeit, eingeklebt.
Um Arte Madí weltweit bekannt zu machen, werden Texte auf Französisch publiziert. Für was genau Madí steht, bleibt unklar: Versteckt sich Movimento de Arte De Invención dahinter oder ist es eine Wortfindung wie Merz oder Dada?
Souffles (Rabat, 1966–1971)
Die französisch-arabische Zeitschrift Souffles / Anfas wird im postkolonialen Marokko vom Poeten Abdellatif Laâbi (*1942) gegründet. Die Herausgeber und Beitragenden sehen sich als «sprachliche Guerillas»: Die Zeitschrift ist ein Manifest für die Moderne im arabischen Raum und wendet sich gegen die westliche kulturelle Dominanz.
Die Kunst wird als Werkzeug des sozio-politischen Wandels angesehen. Die Zeitschrift widmet sich vor allem der Poesie, der Literatur und sprachlichen Experimenten, veröffentlicht aber auch Texte zur bildenden Kunst.
Das Cover der Zeitschrift ändert in den ersten Jahren nur die Farbe und behält die immer gleichbleibende schwarze oder weisse Sonne als Logo. Der politische Inhalt führt schliesslich zum Verbot von Souffles und der langjährigen Inhaftierung Laâbis.
Habitat (Saõ Paulo, 1950–1965)
Die Zeitschrift Habitat wird 1950 von dem aus Italien nach Brasilien emigrierten Architekten- und Sammlerpaar Lina Bo Bardi (1914–1992) und Pietro Bardi (1900–1999) gegründet.
Sie ist zentral in der Verbreitung der modernen Kunst und Architektur in Brasilien. Die Wahrnehmung von Kunst und Architektur als Betätigungsfeld der gesellschaftlichen Elite soll durch die Zeitschrift aufgebrochen werden. Ausserdem soll die soziale Ungleichheit im sich rasch verändernden Land überwunden werden.
Lina Bo Bardi, die sich während der ersten Jahre für die Gestaltung verantwortlich zeichnet, stellt immer wieder die modernistische Architektur und Kunst jener der indigenen Bevölkerung gegenüber, um gängige Kunstdefinitionen aufzubrechen.
Impressum
Fokus. Zeitschriften der Avantgarde
Zentrum Paul Klee, Bern
19.10.24 – 16.2.25
Danksagung:
Sammlung Dora und Walter Labhart
Archives de la construction moderne – École polytechnique fédérale de Lausanne
Bibliothek für Gestaltung Basel
gta Archiv / ETH Zürich
Kunsthaus Zürich
Bibliothek des Basler Kunstvereins / Basler Kunstverein
Digital Guide:
Umsetzung: Netnode AG
Projektleitung: Dominik Imhof
Das Zentrum Paul Klee ist barrierefrei und bietet inklusive Veranstaltungen an.
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