Einleitung
Le Corbusier, geboren als Charles-Edouard Jeanneret (1887–1965) zählt zu den prägendsten und umstrittensten Persönlichkeiten der modernen Architektur. Der in der Schweiz geborene und aufgewachsene Jeanneret lässt sich 1917 in Paris nieder. Ab 1920 verwendet er das Pseudonym «Le Corbusier» und tritt weltweit als Architekt, Stadtplaner, Designer, Autor und Künstler auf.
Er setzt sich leidenschaftlich für eine radikale Neugestaltung von Wohn- und Stadträumen ein, um die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und ein neues Lebensgefühl zu kreieren. Sein Ziel ist es, die Möglichkeiten des technischen Fortschritts zu nutzen und diese mit klassischen Prinzipien der Ästhetik zu verbinden. Le Corbusier führt Architektur, Gestaltung, Kunst und Theorie zu einer bis heute einzigartigen und radikalen Einheit zusammen.
Im Zentrum dieser Ausstellung steht Le Corbusiers Arbeitsprozess vor der Architektur – das künstlerische Experiment im «Atelier der geduldigen Forschung», wie Le Corbusier seine Vorgehensweise bezeichnete. «Forschen» bedeutete für ihn das Entwickeln von Ideen in Studien und Skizzen und die Auseinandersetzung mit Form und Farbe, Komposition und Raum, Material und Konstruktion. Es bedeutete aber auch die Beschäftigung mit Phänomenen in Gesellschaft und Umwelt, Natur und Technik, der Vergangenheit und der Gegenwart – von Fundstücken am Strand bis zur Architektur der Antike.
Die Ordnung
In den 1920er Jahren nimmt der Begriff der «Ordnung» eine wichtige Stellung in Le Corbusiers Denken ein. Entwerfen bedeute, Dinge zu «ordnen». Er betrachtet es als die zeitlose Aufgabe von Kunst und Architektur, die Welt durch Ordnung verständlich zu machen und zu gestalten. Erst durch Ordnung, so glaubt er, kann der Mensch sich von den Launen der Natur, vom Zufall und von der Willkür befreien und sich geistig entfalten.
Das Prinzip der Ordnung bezieht sich zunächst auf den Wunsch, Formen und Farben, Licht und Raum in ein harmonisches Verhältnis zu bringen. Le Corbusier orientiert sich dabei an klassischen Traditionen in Kunst und Architektur, insbesondere auf die Baukunst der Antike. Sein Ziel ist es, moderne Räume zu schaffen, die den menschlichen Bedürfnissen nach Ruhe und Erholung, Licht und Wärme, Sicherheit und Freiheit gerecht werden.
Le Corbusiers Beschäftigung mit Ordnung war auch eine Reaktion auf die Herausforderungen seiner Zeit: die schlechten Lebensbedingungen in den Industriestädten, die Zerstörungen des Ersten Weltkriegs, die alltäglichen Veränderungen durch den technischen Fortschritt, die Revolutionen in Europa und die wirtschaftlichen Krisen der 1920er Jahre. Gleichzeitig teilte er mit der künstlerischen Avantgarde die Vision, Traditionen zu hinterfragen und das Leben der Menschen von Grund auf neu zu gestalten.