Digital Guide

A 2     Die Harmonie der Dinge

Der Purismus – eine Kunst für das Zeitalter des technischen Fortschritts

Nach dem Umzug nach Paris begegnet Jeanneret 1917 dem Künstler Amédée Ozenfant. Dieser stammt aus einer wohlhabenden Familie und ist in Paris bestens vernetzt. Er ist von moderner Technik fasziniert und betätigt sich unter anderem als Maler und als Designer von Autos.

Die Begegnung führt zu einer engen Zusammenarbeit. Ozenfant führt Jeanneret in die Pariser Kunstavantgarde ein. Gemeinsam entwickeln sie die Kunstbewegung des Purismus. Diese bezieht sich auf den Kubismus, der sich in den 1910er Jahren in Paris als avantgardistische Kunstströmung etabliert hat, und setzt sich davon ab.

In einem gemeinsamen Manifest beschreiben sie den Purismus als neuartige, rationale Kunst für eine Gesellschaft des technischen Fortschritts. Es ist die Zeit nach dem ersten Weltkrieg, in der avantgardistische, revolutionäre Visionen der Erneuerung von Kunst und Gesellschaft Hochkonjunktur haben. Als Bildmotive benutzen Ozenfant und Jeanneret standardisierte und industriell hergestellte Alltagsgegenstände wie Flaschen, Gläser oder Teller.

Daraus erzeugen sie streng geometrische Bildkompositionen an der Grenze zur Abstraktion. Die Gegenstände verfremden sie zu Konturen und Flächen, die sich überschneiden. Bei den Entwürfen der Gemälde nutzen sie «tracés régulateurs» – geometrische Hilfslinien. Mit ihnen teilen sie sie die Bildfläche ein und führen die Gegenstände zu einer harmonischen «Ordnung» zusammen.

1 Der Kamin

Auf der Rückseite dieses streng komponierten Gemäldes, das sich an der Grenze zwischen gegenständlicher Darstellung und abstrakter Bildkomposition bewegt, vermerkt Jeanneret: «Dies ist mein erstes Gemälde». Die Ölmalerei hat nicht zur Ausbildung Jeannerets an der Kunstschule in La Chaux-de-Fonds gehört. Erst im Sommer 1918 wird er von Ozenfant in die Ölmalerei eingeführt. Davor hat er mit Pastell- oder Aquarellfarben gemalt. Bis zu ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung im Dezember 1918 vollendet Jeanneret auch noch das Gemälde Le bol rouge.

2 Objets-types

Im Purismus spielen industriell gefertigte Gegenstände wie Flaschen, Krüge, Gläser und Bücher eine wichtige Rolle. Jeanneret bezeichnet diese Gegenstände als objets-types («Typenobjekte»). Ihn interessieren Objekte, die universelle und zeitlose menschliche Bedürfnisse erfüllen, als Erweiterungen des menschlichen Körpers dienen und die hierzu einfachste funktionale Form besitzen. Ein beliebtes Sujet Jeannerets sind ausserdem Pfeifen. Von diesen besitzt er als begeisterter Pfeifenraucher eine stattliche Sammlung. Die Pfeife wird später neben der runden Brille zu einer Art Markenzeichen Le Corbusiers.

3 Ohne Titel (Porträt von Yvonne Le Corbusier)

Obwohl Le Corbusier häufig Personen seines Umfeldes skizzierte, ist dieses Gemälde das einzige tatsächlich ausgeführte Porträt. Es zeigt seine Ehefrau Yvonne Gallis (1892–1957). Das spätere Ehepaar lernt sich bereits 1922 kennen. Gallis stammt aus Monaco und ist Model. Nur wenig ist über sie und das gemeinsame Leben mit Le Corbusier bekannt. Ihr Leben ist stark von der Karriere Le Corbusiers geprägt, und sie unterstützte ihn in seiner Arbeit und seinen zahlreichen Projekten.

Schliessen