Digital Guide

B 2     Die Sprache der Erneuerung

Le Corbusier als Vortragsreisender

In den 1920er und 1930er Jahren unternimmt Le Corbusier zahlreiche Vortragsreisen, um seine Ideen und Theorien zu verbreiten. Er besucht unter anderem Spanien und Italien, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion, Argentinien und Brasilien, die Schweiz und die USA.

Während seiner Vorträge fertigt Le Corbusier Skizzen und Zeichnungen an, die seine Ideen und Konzepte in «Echtzeit» veranschaulichen und für das Publikum verständlich machen. Sie bieten einen Einblick in seine Denkweise und tragen dazu bei, seine Position als führender Theoretiker der modernen Architektur zu festigen. Le Corbusier nutzt diese Reisen auch dazu, die architektonischen und städtebaulichen Entwicklungen in anderen Teilen der Welt zu studieren und sich mit Vorschlägen ins Gespräch zu bringen.

Le Corbusier verfügt über die Fähigkeit, visionäre architektonische Konzepte überzeugend und scheinbar alternativlos zu vermitteln. Dies sichert ihm eine begeisterte Gefolgschaft, löst aber auch starke Gegenreaktionen aus. In den 1930er Jahren beklagen Kritiker die Missachtung hergebrachter Bautraditionen und die Entfremdung, die ihrer Meinung nach von der rationalistischen Architektur ausgeht. 

1 Konferenzskizze [expression du profil actuel – expression du profil de l’époque moderne]

In dieser Vortragszeichnung kontrastiert Le Corbusier den Stadtplan von Paris mit seinem provokativen Vorschlag: Enge, verwinkelte Gassen sollen breiten, geraden Strassen weichen, und Hochhäuser sollen weit auseinander gebaut werden, damit jede Wohnung ausreichend Sonneneinstrahlung erhält. Zudem soll der so gewonnene Raum begrünt werden.

2 Konferenzzeichnung [la ville peut devenir une ville verte]

Mit dieser Vortragszeichnung illustriert Le Corbusier die Behauptung, die historisch gewachsenen Städte würden zu viel Platz in Anspruch nehmen und seien gleichzeitig viel zu eng. Wenn der Boden effizient genutzt würde, könnten die Städte zu «grünen Städten» werden. Zugang zu Licht, offenen Räumen und Natur erachtet Le Corbusier als grundlegend für ein besseres Leben.

3 Konferenzzeichnung [le navire – le palais – le paquebot – le gratte-ciel]

Das Bild des modernen Passagierdampfers dient Le Corbusier in dieser Vortragszeichnung dazu, seine Vision vom rationalen Wohnen zu illustrieren. Auf kleinstem Raum könnten auf einem Dampfer bis zu 2500 Personen wohnen. Auf der untersten Skizze ist das Schiff «aufgestellt» und zu einem Wolkenkratzer umgewandelt. Le Corbusier, der häufig auf Reisen ist, ist von den Möglichkeiten moderner Verkehrsmittel begeistert, da deren Form sich aus der Funktion ergibt.

4 Konferenzzeichnung [solutions à la crise – la loi du méandre]

In dieser Skizze zeigt Le Corbusier, wie sich Ideen entwickeln. Wie ein Fluss, der auf Hindernisse trifft und seinen Weg anpasst, müssen auch Ideen angepasst werden. Manchmal sind die Hindernisse so gross, dass der Fluss Schleifen bildet, die sich berühren und verbinden. In dieser komplexen Situation erscheint plötzlich wieder eine gerade Linie, wenn das Wasser die Hindernisse überwunden hat. So kristallisiert sich aus einem aufwendigen Arbeitsprozess die Essenz der Idee heraus. Le Corbusier nennt dies «Das Gesetz des Mäanders».

5 Konferenzzeichnung [le musée]

In dieser Vortragszeichnung veranschaulicht Le Corbusier seinen utopischen Vorschlag eines «Weltmuseums». Hierfür sieht er einen pyramidenförmigen Bau vor, der – wie das menschliche Wissen - unendlich erweitert werden könne. Das Projekt solle wissenschaftliche Einrichtungen, eine Bibliothek und ein Museum enthalten und als Speicherort für das gesamte menschliche Wissen dienen. 

6 Konferenzzeichnung [chirurgie]

Le Corbusier vergleicht Städte oft mit dem menschlichen Körper. Er ist der Überzeugung, dass es städtebauliche Interventionen braucht, um historische Städte an die Bedürfnisse der Gegenwart anzupassen. Hier führt Le Corbusier vor, dass eine Stadt «operiert» werden kann. Le Corbusier setzt mit grossen Schnitten bei der Strassenführung an und ersetzt kleine Gässchen durch breite Strassenzüge, um die Zirkulation der Stadt zu optimieren.

7 Konferenzzeichnung [régime des rues]

In dieser Vortragszeichnung thematisiert Le Corbusier die zunehmende Beschleunigung und Vernetzung, die durch den technischen Fortschritt des Industriezeitalters möglich geworden sind. Ab 1850 steigt die Schnelligkeit in allen Lebensbereichen schlagartig an. Dies führe zu neuen Bedürfnissen, die diese über Jahrhunderte gewachsenen Städte nicht erfüllen könnten, darunter Mobilität, Erholung und eine effiziente Organisation des alltäglichen Lebens.

8 Konferenzzeichnung [il faut tuer la «rue corridor»!]

Nur durch die Aufgabe der bisherigen Strassensysteme könne man einen modernen Urbanismus umsetzen, argumentiert Le Corbusier in dieser Vortragszeichnung. Die engen Strassen der historisch gewachsenen Städte müssten beseitigt werden. Le Corbusier schlägt versetzte Hochhäuserzeilen vor, die weit auseinander gebaut sind und unabhängig vom Strassensystem gedacht sind. Die Strassen würden neu gerade an ihr Ziel führen und teilweise unter den auf Pfeilern gebauten Hochhäusern verlaufen.

9 Konferenzzeichnung [New York – Buenos Aires – destinée d’une ville neuve]

Le Corbusier reist nach Nord- und Südamerika und ist von Ländern wie den USA oder Argentinien, die sich sehr dynamisch entwickeln, fasziniert. In dieser Vortragszeichnung zeichnet er die Warenströme ein, die New York und Buenos Aires verlassen oder dort ankommen. Bei beiden Städten handle es sich um grosse, moderne Städte. New York sei aus der Improvisation heraus entstanden. Buenos Aires hingegen könne mit einer grosszügigen Stadtplanung noch zu einer wahren, modernen Stadt werden.

10 Konferenzzeichnung [l’académisme dit: Non!]

Le Corbusier sieht sich als provokative Gegenstimme zur Architekturlehre der Hochschulen seiner Zeit. Obwohl er selbst keine Ausbildung als Architekt besitzt, ist er der Meinung, dass die Akademie zu sehr an traditionellen und historischen Stilen festhält und dadurch die Entwicklung moderner Architektur und urbaner Planung behindert. Seine provokativen Vorschläge, Teile von Paris durch Wolkenkratzer zu ersetzen, werden aber weithin abgelehnt. Dafür macht er den «Akademismus» verantwortlich: «L’académisme dit non!»

Schliessen