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A 3     Die Befreiung von den Regeln

Nach dem Purismus

1925 trennen sich die Wege von Le Corbusier und Amédée Ozenfant. Als Architekt tritt Le Corbusier nun unter seinem Pseudonym auf. In seiner Malerei signiert er weiterhin mit «Jeanneret», um unabhängig von der Architektur auch als Künstler anerkannt zu werden. Erst ab 1928 nutzt nur er nur noch den Namen «Le Corbusier» für alle Aktivitäten.

Stilistisch nimmt Le Corbusier neue Einflüsse vom Maler Fernand Léger auf, mit dem er befreundet ist, und bewundert das Werk von Juan Gris und Pablo Picasso. Unter deren Einfluss befreit er sich von den selbstauferlegten strengen Regeln in der Malerei. Le Corbusier beginnt nun, freier und expressiver zu malen. Er experimentiert mit organischen Formen, Motiven aus der Natur und lebendigen Farben. Die Gemälde behalten ihren Charakter als «Anordnungen» von Dingen bei, aber sie werden dynamischer und bewegter.

Im Laufe der 1920er Jahre verändert sich Le Corbusiers Verständnis der Rolle der Kunst in seinem Werk: Er begreift die Malerei zunehmend als Form der Inspiration und der Erweiterung der Vorstellungskraft – als Methode der «geduldigen Forschung». Während die Tätigkeit als Architekt es erfordert, innerhalb gegebener Umstände zu arbeiten, bietet die Malerei eine grössere Freiheit.

1 Stillleben mit zahlreichen Objekten

In diesem Gemälde scheinen sich Objekte gegenseitig zu überlagern. Die Formen sind durchscheinend und fliessen spielerisch zu neuartigen Formkomplexen zusammen. Auch in der Architektur Le Corbusiers der 1920er-Jahre ist diese Durchsichtigkeit ein Thema. Die grossen Fensterbänder und die offenen, lichtdurchfluteten Räume schaffen Verbindungen zwischen Innen und Aussen, aktivieren die Wahrnehmung und erzeugen ein «fliessendes» Raumerlebnis, wobei sich verschiedene Aspekte der Wirklichkeit überlagern oder gleichzeitig wahrgenommen werden. In der modernen Architektur ist Transparenz nicht nur ein ästhetisches, sondern auch ein gesellschaftliches und kulturelles Konzept, das Offenheit, Dynamik und Fortschrittlichkeit zum Ausdruck bringt.

2 Die Hand und die Streichholzschachtel

Le Corbusier malt diese Komposition mit seiner selbst entworfenen Farbkollektion, die Polychromie Architecturale, auch bekannt unter dem Namen Salubra (der Name der Firma, die diese Farben herstellte). Diese setzt er auch in seinen Gebäuden zur Raumgestaltung ein. Das Bild ist eine dynamische Komposition von verschiedenen Bildelementen, die für die Kunst von Le Corbusier typisch sind, wie Zündholzschachtel, Buch oder Baumrinde, ergänzt durch das Motiv einer Hand. Dieses Motiv erscheint später auch in der Architektur und wird zu einer Art «Signatur» des Künstler-Architekten.

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