C 4 Volumen im Gleichgewicht
Architektur als Skulptur
Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzieht Le Corbusier einen bemerkenswerten Wandel. Während seine frühen Bauten stark von klaren Linien, geometrischen Formen und funktionalen Prinzipien geprägt sind, wendet sich Le Corbusier von diesen Prinzipien ab, und schockiert damit die Fachwelt.
Mit der Kapelle in Ronchamp, die zwischen 1950 und 1955 erbaut wird, entwirft er ein asymmetrisches, geschwungenes Gebäude mit unregelmässigen, organischen Formen. Le Corbusier nutzt Spritzbeton, um eine skulpturale Architektur zu erzeugen und so die traditionelle, rechteckige Bauweise hinter sich zu lassen. Das gewölbte, muschelförmige Dach scheint sich, scheinbar schwerelos, von den Wänden abzuheben. Auch das Licht spielt eine zentrale Rolle. Le Corbusier nutzt Tageslicht, um die Innenräume zu gliedern, ihre skulpturale Wirkung zu verstärken und eine spirituelle Atmosphäre zu schaffen.
Le Corbusier geht beim Entwurf der Kapelle intuitiv vor. Die Grundzüge des Entwurfs entstehen in nur wenigen Tagen in Form von Bleistiftzeichnungen, die er auf Reisen anfertigt. Diese intuitive, künstlerische Art des Entwerfens, aber auch die skulpturale Form des Gebäudes machen die Kapelle zu einem Vorläufer der sogenannten Postmoderne. Wenige Jahre nach Ronchamp realisiert Le Corbusier auch das Dominikanerkloster Sainte-Marie de La Tourette in der Nähe von Lyon. Für Le Corbusier bieten diese Bauten die künstlerische Herausforderung, traditionelle religiöse Architektur mit modernen Designprinzipien zu verbinden.