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C 5     Die offene Hand

Die Synthese der Künste am Beispiel von Chandigarh

1950 wird Le Corbusier von Jawaharlal Nehru, dem ersten Premierminister Indiens, eingeladen, die Stadt Chandigarh als neue Hauptstadt des Bundesstaats Punjab zu entwerfen. Nach der Teilung Indiens 1947 möchte Nehru eine moderne, effiziente und menschenzentrierte Stadt schaffen, die die Ideale des unabhängigen Indiens verkörpert: Ordnung, Fortschritt, Bildung, Entwicklung und Reform.

Le Corbusier übernimmt die Aufgabe, den Masterplan für Chandigarh zu entwickeln und die wichtigsten Regierungsgebäude zu entwerfen. Er bringt seine Vision einer modernen Stadt ein, einschliesslich der Aufteilung der Stadt in Zonen mit unterschiedlichen Funktionen. Von der früheren Vision serieller Hochhäuser nimmt er hingegen Abstand.

Die Hauptverantwortung für die Umsetzung der Pläne vor Ort übernimmt Le Corbusiers Cousin Pierre Jeanneret. Zu den Gebäuden, die Le Corbusier im Regierungsviertel von Chandigarh entwirft, gehören das Parlamentsgebäude, das Sekretariatsgebäude und das Gerichtsgebäude. Pierre Jeanneret realisiert zahlreiche zivile Bauten, darunter Wohngebäude, Schulen und Hotels.

In Chandigarh setzt Le Corbusier seine Vision einer Synthese der Künste um, indem er Architektur, Design und Stadtplanung miteinander verbindet. Die Gebäude sind auch im Inneren von ihm ausgestaltet. Hierzu fertigt er unter anderem monumentale Wandteppiche an. Im Zentrum der Stadt steht die «offene Hand», ein von Le Corbusier entworfenes Denkmal, das zum Markenzeichen Chandigarhs wird – und das gleichzeitig den Charakter einer Signatur des Künstler-Architekten hat.

1 Die offene Hand

Die main ouverte («offene Hand») ist eine monumentale Skulptur im Kapitol-Komplex von Chandigarh. Ab den 1950er Jahren taucht das Motiv in zahlreichen Entwürfen und Zeichnungen Le Corbusiers auf. Le Corbusier beschreibt die «offene Hand» als Symbol des Friedens und der Verständigung. Der Künstler-Architekt verwendet sie ausserdem als eine Art Signatur.

2 Axonometrische Ansicht des Schattenturms von Chandigarh

Der Tour d’ombres («Schattenturm») in Chandigarh ist eine Art begehbare Raumskulptur, der ausschliesslich aus sogenannten «Sonnenbrecher» (Brise soleil)-Fassadenelementen besteht. Diese setzt Le Corbusier seit den späten 1940er Jahren bei verschiedensten Bauten mit dem Ziel ein, die Sonneneinstrahlung im Innern der Gebäude zu reduzieren.

3 Studien der Fenster des Gerichtgebäudes de Chandigarh

Für das Gerichtsgebäude in Chandigarh entwirft Le Corbusier Fensteröffnungen mit grösstenteils abstrakten Formen, die das Licht filtern sollen. Diese Formen erinnern an die Formen der einzelnen Farbflächen seiner Gemälde dieser Zeit: Le Corbusier scheint diese isoliert und wie Stempel auf seinen Architekturentwurf angewandt zu haben.

4 Kay Walkowiak The Chandigarh Trilogy

Die Videoinstallation The Chandigarh Trilogy von Kay Walkowiak besteht aus drei Teilen, die sich mit der Stadt Chandigarh befassen.

Der erste Teil, The City Beautiful (2011), dokumentiert die monumentalen Betonbauten der Stadt, die das Streben nach Modernität ausdrücken, und macht sichtbar, wie diese im Alltag belebt und genutzt werden.

Der zweite Teil, Body of Concrete (2014) verdeutlicht, warum die Stadt heute von einigen als gescheitert betrachtet wird, obwohl sie für eine verhältnismässig hohe Lebensqualität bekannt ist. Der Beton, der einst für Modernität stand, ist nach Jahrzehnten von Monsunregen brüchig geworden und hat seinen «Glanz» verloren.

Der dritte Teil, Modulor (2015), bezieht sich auf Le Corbusiers Proportionssystem und zeigt, wie sich die Bevölkerung von Chandigarh die Stadt angeeignet hat – manchmal ohne Rücksicht auf das architektonische Erbe.

Konzept, Kamera und Schnitt: Kay Walkowiak
Postproduktion: Stefan Haselgruber, Manuel Hartmann
Produktionsassistenz: Tejinder Ahuja, Barbara Probst
Danksagung: Austrian Cultural Forum New Delhi
Mit Unterstützung von: Bundeskanzleramt Österreich, Land Salzburg, Stadt Wien

5 Kapitol von Chandigarh

Bei diesem Plan handelt es sich um einen frühen Entwurf für das Regierungsviertel in Chandigarh. Zwischen den drei Hauptgebäuden, die nur schematisch dargestellt sind, entfaltet sich ein geometrischer, aber verspielter modernistischer Landschaftsgarten. Dieser umfasst Gehwege auf Brücken, künstliche Seen, zahlreiche Rampen, Treppen sowie verschiedene Monumente und Symbole. Ein Bach fliesst unter dem Sekretariatsgebäude hindurch und geht dabei von einem freien, mäandernden Lauf zu einer streng geometrischen Struktur über. Dieser Entwurf zeigt exemplarisch Le Corbusiers Verständnis von Architektur, die für ihn bedeutet, die Welt zu «ordnen». An einem Ort, der zuvor unbesiedelt war, soll mit architektonischen Mitteln ein Zeichen der Kultur und des Fortschritts gesetzt werden. Die Rolle der Architektur sei es, Natur und Kultur, Mensch und Kosmos in Einklang zu bringen.

6 Studie für Tapisserie des Gerichtsgebäudes von Chandigarh

Le Corbusier entwirft für den Regierungsviertel in Chandigarh eine Reihe von farbigen Wandteppichen, die in der Ratskammer des Parlamentsgebäudes und den Gerichtssälen im Gerichtsgebäude zu finden sind. Diese Wandteppiche bedecken die gesamte Wand. Da die Gebäude aus Rohbeton errichtet sind, dienen die Wandteppiche dazu, die Akustik in den Räumen zu verbessern und eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Die Wandteppiche sind mit abstrakten, geometrischen Mustern gestaltet und enthalten eine Vielzahl von Symbolen, die das moderne Indien, Demokratie und Gerechtigkeit sowie den Menschen, die Erde und den Kosmos darstellen. Die riesigen Wandteppiche wurden in Handarbeit in der indischen Stadt Srinagar in der Region Kaschmir hergestellt.

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