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A 5     Jenseits der Ordnung

Das Spätwerk

In den 1950er Jahren befindet sich Le Corbusier auf dem Höhepunkt seiner öffentlichen Anerkennung. Mit Aufträgen wie dem Entwurf der Stadt Chandigarh kommt er seinen Zielen so nah wie nie zuvor. Er fordert, dass Kunst, Architektur und Gestaltung nicht isoliert betrachtet werden sollten. Vielmehr sollen sie in ein harmonisches Zusammenspiel gebracht werden, um eine ganzheitliche Erfahrung zu schaffen.

In Werken wie dem Poème de l’angle droit blickt er zugleich auf sein Schaffen zurück und greift Themen auf, die ihn über Jahrzehnte bewegt haben: vom Verhältnis von Natur und Kultur bis zur Organisation der Städte. Er untermauert damit auch den Mythos, den seine Person umgibt, und den er sorgfältig kultiviert.

Im Gegensatz zum Rationalismus und zur Philosophie der Ordnung, die schon früh zur Grundlage seiner Kunst und Architektur werden, öffnet sich Le Corbusier in den letzten Jahrzehnten seines Schaffens dem Organischen, dem Irrationalen, dem Elementaren. Dabei greift er auch die Kunstentwicklung seiner Zeit auf, die den spontanen, gestischen Ausdruck in den Vordergrund stellt.

Dies zeigt sich beispielsweise in den ausdrucksstarken Collagen der 1960er Jahre, in denen er alltägliche Materialien wie Zeitungsausschnitte oder Zigarettenverpackungen benutzt, um Gemälde und Tapisserien zu entwerfen.

1 Poème de l’angle droit

Diese Druckgrafiken stammen aus der Serie Das Gedicht des rechten Winkels. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von 19 Drucken und begleitenden Gedichten, die zwischen 1947 und 1953 entstanden sind. Le Corbusier beschreibt darin sein Weltbild und setzt sich mit dem Verhältnis des Menschen mit der Natur und dem Kosmos auseinander. Hier werden nur die Abbildungen gezeigt.

Das Hauptthema der Serie ist der rechte Winkel. Le Corbusier bezeichnet diesen als Grundlage der menschlichen Zivilisation und als «Pakt» zwischen Mensch und Natur. Dieser Pakt wird durch die Darstellung eines aufrechtstehenden Menschen in einer hügeligen Landschaft verdeutlicht. Die Hand, die einen rechten Winkel zeichnet, verweist auf den Moment der Erkenntnis: Die Ordnung verleiht dem Menschen die Fähigkeit zu verstehen und zu gestalten.

Zentrale Motive in der Serie sind ausserdem der Lauf der Sonne, der Modulor als Verkörperung der menschlichen Masse oder das Symbol der offenen Hand. Auch Le Corbusiers Rolle als Architekt wird durch die Darstellung einer Unité d’habitation thematisiert.

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