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Gestaltung mit neuen Materialien
Zahlreiche von Anni Albers’ Schriften sind dem Material und seiner zentralen Rolle im kreativen Prozess gewidmet. «Da einzig das Material der Kunst Realität verleiht, erfahren wir, indem wir es formen, mehr über die Kräfte, die bei jedem Schaffensprozess am Werk sind.»
Albers war eine nüchterne Beobachterin ihrer Umgebung, die auch an unkonventionellen Orten stets nach potenziellen neuen Materialien Ausschau hielt. 1934 erzählte sie einem Herausgeber der Zeitschrift Arts and Decoration, wie sie einen Hut aufgetrennt hatte, um das Zellophan daraus für einen neuen Stoff zu verwenden, an dessen Entwicklung sie gerade arbeitete. Für ihre Experimente mit unterschiedlichen Kombinationen aus natürlichen und synthetischen Stoffen, darunter Stroh, Jute, Baumwolle, Seide, Wolle, Chenille, Metallfäden, Plastik und Zellophan, fertigte sie während vieler Jahrzehnte unzählige Stoffmuster an. In ihren ungewöhnlichen Kreationen betonte sie gegensätzliche Eigenschaften wie grob–glatt, matt–glänzend oder hart–weich.
Beim Design von Industrietextilien entwickelte Albers Strategien, um eine visuelle Haptik zu erreichen. Die Ausbrennstoffe, die sie für Sunar bzw. S-Collection entwarf, waren, ebenso wie die bedruckten Stoffe für Knoll, rhythmisch und vielschichtig. In einigen Arbeiten auf Papier, wie beispielsweise in der Reihe Mountainous, transformierte sie das Trägermaterial in ein dreidimensionales Objekt.
Für Albers stellte die Berührung von Material den Kern des Menschseins dar: «Wir berühren Dinge, um uns der Wirklichkeit zu vergewissern. Wir berühren die Gegenstände, die wir lieben. Wir berühren die Dinge, die wir gestalten. Unsere taktilen Erfahrungen sind elementar.»