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In Richtung Kunst
Nachdem Albers im Mai 1949 das Black Mountain College verliess, im selben Jahr mit ihrer Einzelausstellung am Museum of Modern Art in New York einen grossen Erfolg feierte und 1950 nach New Haven in Connecticut zog, veränderte sich Anni Albers’ Berufsleben. Sie war nun nicht mehr an eine Institution angebunden, unterrichtete aber weiterhin privat eine kleine Handvoll Studierender und richtete ihr Arbeitsleben neu aus.
Während sie immer mehr Auftragsarbeiten von Architekten erhielt, konzentrierte sich Albers in ihrem freien Schaffen auf höchst experimentelle Webarbeiten, für die sie sich von den verwendeten Materialien leiten liess. So hielt sie fest: «Wenn mir ein Faden begegnet, der mir gefällt, dann geht von diesem Material eine gewisse Anregung aus. [...] Für jemanden, der viel webt, ist ein Faden vielsagend.» In einem Interview erklärte sie, wie die plötzliche Bewegung eines Fadens oder einer Textiloberfläche, wie die Farbe des Garns oder «Qualitäten wie Flauschigkeit oder Glanz, die nur Textilien zu eigen sind», sie an den Webstuhl locken. «Es fliesst etwas Eigenes von dir mit hinein, eine Art Subtilität der Entscheidung.»
Die Arbeiten aus dieser Schaffensperiode der 1950er- und 1960er-Jahre zählen zu Albers vielseitigsten, innovativsten und speziellsten. Als eigenständig zu betrachtende Kunstwerke sind Werke wie La Luz, Open Letter und Epitaph mit Albers’ eigenen Worten «nicht da, um auf ihnen zu sitzen oder zu gehen, sondern bloss zum Anschauen […]. Ich versuche, meine Überzeugungen, Gefühle und Ideen in diese andere Sphäre zu übertragen, in Richtung Kunst, in Bildwebereien. Es geht mir hier um die Form, Linie, Farbe, Proportionen und Oberfläche an sich.»